Die Strohverarbeitung begann um 1700 mit der Herstellung von Strohgeflechten aus Sommerroggen, um daraus Strohhüte zu nähen. 1820 gab es in Twistringen 800 bis 1.000 Strohflechter. Ca. 50 ha Ackerland waren erforderlich, um den Bedarf der Flechter an Stroh zu decken.
In der Blütezeit dieser Industrie zwischen 1850 und 1870 benötigten die Flechter pro Jahr etwa 3.000 Zentner Stroh vom Sommerroggen, aus denen sie das geeignete Flechtstroh aussortierten.
In Twistringen begann die Produktion offenbar zwischen 1700 und 1750. Die Anregung dazu kam vermutlich aus Italien, wo schon länger Strohhüte gefertigt wurden. Doch vielleicht war es auch eine eigenständige Idee der Twistringer, ihr reichlich vorhandenes Roggenstroh gewinnbringend zu nutzen. Die Voraussetzungen dafür waren gut. Das Stroh war sehr lang und fest, und in den kinderreichen Familien gab es ausreichend Arbeitskräfte.
Sehr bald entwickelte sich Twistringen zum wichtigsten Produktionsstandort in Norddeutschland. Um 1830 waren hier 800 bis 1.000 Menschen mit der Herstellung von Strohgeflechten für die Hüte beschäftigt. Weiterhin gab es rund 50 selbständige Strohhutmacher, in deren Werkstätten und Manufakturen über 100 Personen arbeiteten.
Um 1845 waren im Twistringer Raum 40 selbständige Strohhutmacher tätig. Um 1900 waren es nur noch vier Betriebe und seit dem Ende der 20er Jahre nur noch die 1863 gegründete Hutfabrik Behrens, die 2004 als letzte geschlossen wurde.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Strohhüte in vielen europäischen Ländern, z.B. in Italien, Frankreich, England oder der Schweiz, hergestellt.
Feine Hüte ließen sich aus dem festen Twistringer Roggenstroh nur schlecht herstellen. Solche modischen Hüte stammten daher in der Regel aus Dresden, Berlin oder auch Breslau.
Schon um 1850 stellten Zeitgenossen fest, daß auch die einfacheren und eher groben Strohhüte zunehmend häufiger von Männern und Frauen getragen wurden.
Die großen Hüte sollten die Damen im Sommer vor der Sonne schützen und den Sonnenschirm entbehrlich machen.
Jubelfest des Männergesang-Vereins Twistringen (um 1920)
Bei einer Chorprobe des 1845 gegründeten Vereins auf einem Schulhof tragen die meisten Männer Strohhüte - die so genannten "Kreissägen". Damenhüte aus Stroh waren zu dieser Zeit nicht mehr so gefragt.
Schon in der Antike und im frühen Mittelalter kannte man Hüte aus Stroh. Ursprünglich trug man sie nur bei der Feldarbeit. Aber schon seit dem 15. Jahrhundert gewann der Strohhut als modisches Kleidungsstück an Bedeutung. Im 19. Jahrhundert war er schießlich in weiten Teilen Europas sehr populär.
Die Twistringer produzierten um 1750, schon wenige Jahrzehnte nach Beginn der Strohhut-Herstellung, mindestens 30 verschiedene Modelle.
Allein die "ordinairen" und "feinen" Hüte gab es jeweils in mindestens zwölf Preisklassen. Daneben verkaufte man "mittelfeine", "etwas gröbere" und "extra feine" Hüte. In den Jahren 1844 bis 1847 nennen die Inventare der Firma Meyer-Lüters unter anderem "schottische Kappen", "Schäferhüte", "Landhüte", "Schirmhüte" sowie Männer-, Damen-, Knaben- und Mädchenhüte in zahlreichen Ausführungen.
Weil das Roggenstroh die für feine Hüte erforderliche Appretur nicht so leicht annahm, fertigten die Twistringer vor allem Hüte von mittlerer und geringerer Qualität. Diese waren außerdem weniger den Schwankungen in Form und Mode unterworfen. Die Twistringer Hüte galten dafür als besonders haltbar im Vergleich zu den feinen Strohhüten aus Italien und der Schweiz.
Die Publikation von 1917 " Das moderne Putzfach" stellt in dieser Abbildung Hutformen vor, aus denen sich die damals modernen Hüte entwickelt haben.
Aus den einheimischen, aber auch aus Sächsischen, Italienischen und Schweizer Geflechten produzierten die Twistringer vor allem Hüte. Anfangs nähten sie die Geflechtborten mit der Hand auf- oder aneinander, wobei sie den Hut immer wieder an ein Modell aus Holz anpassten. Je nach Breite des Geflechts und Größe des Hutmodells brauchte man 16 bis 30 Geflechtringe.
Die mühsame Handarbeit erlaubte pro Tag nur eine geringe Produktion. Diese steigerte sich jedoch mit der Einführung von fußbetriebenen Nähmaschinen in den 1880er Jahren. Um 1900 begann der Einsatz von Motoren zum Antrieb der Nähmaschinen. Eine gute Näherin konnte damit in acht Stunden 70 bis 80 Hüte fertigstellen - also einen Hut in nur sechs Minuten!Weitere Arbeitsschritte folgten: Um eine gleichmäßige Bleiche zu erreichen, schwefelte man den Hut. Anschließend wurde er gewaschen. Danach verlieh ihm eine Appretur aus flüssiger Gelatine oder Knochenleim Festigkeit. Nach dem Trocknen kam der Hut in den so genannten Feuchtkeller, um wieder elastisch zu werden. In einer Hutpresse erhielt er schließlich seine endgültige Form.
Auf einer Gewerbeaussstellung aus Anlass der 700-Jahr-Feier Twistringens zeigten die Näherinnen ihr Können. Die Firma
F. Behrens war die letzte Hutfabrik, die damals noch existierte.In der Regel arbeiteten in den Hutfabriken Frauen und vernähten die Geflechtbänder an den elektrisch betriebenen Nähmaschinen zu Hüten.
Diese so genannte Säulenpresse besaß unterhalb der Pressform einen Ofen für Kohlen- oder Holzfeuerung. Damit ließ sich die Form erhitzen. Bei anderen Geräten setzte man auch Gas- oder Dampfheizungen ein.